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Nachrichten 06.05.2019

Orangensaft neu entdeckt – Hesperidin im Fokus der Wissenschaft

Dass Orangensaft eine gute Quelle für Vitamin C und Folat ist, ist hinlänglich bekannt. Als eine der wenigen natürlichen Quellen des Flavonoids Hesperidin ist er jedoch eine Neuentdeckung.

Orangensaft neu entdeckt – Hesperidin im Fokus der Wissenschaft
(Foto: confructa medien GmbH)

Dass Orangensaft eine gute Quelle für Vitamin C und Folat ist, ist hinlänglich bekannt. Als eine der wenigen natürlichen Quellen des Flavonoids Hesperidin ist er jedoch eine Neuentdeckung. Hesperidin steht zwar erst am Anfang seiner Erforschung, doch schon jetzt deutet sich ein wichtiger Einfluss auf metabolische Parameter an, was auch zu einer Neubewertung der ernährungsphysiologischen Bedeutung von Orangensaft beitragen dürfte.

Hesperidin kommt insbesondere in der weißen Schalenhaut von Zitrusfrüchten vor. Gegenüber anderen antioxidativ wirkenden Substanzen hat es einen entscheidenden Vorteil: Aufgrund seiner chemischen Struktur ist Hesperidin sowohl in wässrigen als auch in öligen Lösungen wirksam. Es kann damit seine Schutzwirkung sowohl in Zellflüssigkeiten als auch an den Membranen sowie in den Fett-Protein-Verbindungen im Blut ausüben. In-vitro-Versuche zeigten, dass es durch Hesperidin zu einer Reduktion von Superoxid bei der Elektronentransfer- und konzertierten Protonentransferreaktion kommt. Inzwischen liegen auch Humanstudien zur Wirkung von Hesperidin vor: So konnte im Zuge einer Kontrollstudie mit Diabetes-Patienten gezeigt werden, dass oxidative DNA-Schädigungen und Lipidperoxidation durch Hesperidin verringert werden. Rangel-Huerta et al. untersuchten die Auswirkungen von Polyphenolen in Orangensaft auf das antioxidative System und auf die oxidativen Stressmarker. 100 Probanden, die entweder übergewichtig oder adipös waren, tranken in der randomisierten, doppelblinden Crossover-Interventionsstudie über 12 Wochen 2-mal täglich je 250 ml Orangensaft. Die Forscher stellten fest, dass die Konzentration bzw. Aktivität von Stressmarkern, wie 8-hydroxy-2-deoxyguanosin, Erythrozyt-Katalase und Glutathion-Reduktase bei den Studienteilnehmern abnahm.[1] Der Verzehr von Orangensaft kann somit dazu beitragen, die DNA vor Schäden und der Lipidperoxidation zu schützen und antioxidative Enzyme zu modifizieren.
Neben den antioxidativen Effekten hat Hesperidin auch antiinflammatorische Wirkungen. Die entzündungshemmenden Eigenschaften sind vermutlich auf die Hemmung der Synthese und die Reduktion der biologischen Aktivität verschiedener proinflammatorischer Mediatoren zurückzuführen. Dabei beeinflusst Hesperidin hauptsächlich die Bildung von Arachidonsäurederivaten.[2] Durch diesen Stoffwechselweg erklärt sich auch die vasodilatative Wirkung von Hesperidin, die in Studien mehrfach beschrieben wurde.[3]

Unterschiede in der Bioverfügbarkeit von sekundären Pflanzenstoffen

Untersuchungen von Orangensaft und ganzen Orangen zeigten, dass die Bioverfügbarkeit von Carotinoiden aus Orangensaft signifikant höher war als aus frischen Orangen – und zwar fast doppelt so hoch (1,8-fach). Ähnliches scheint auch auf die Flavonoide wie Hesperidin zuzutreffen: Obwohl die Probanden in einer Studie durch den Verzehr von Orangen im Vergleich zu Orangensaft eine 2,3-fach höhere Menge an Hesperidin zu sich nahmen, war die Menge der Abbauprodukte (Hesperetin) im Urin vergleichbar.[4] Bis zu 88 % der über Orangensaft verzehrten Polyphenole ließen sich in Form ihrer Metabolite im Urin nachweisen und wiesen somit eine sehr gute Bioverfügbarkeit aus Orangensaft auf.[5]

Höherer Flavonoidgehalt bei handelsüblichem Orangensaft

Vielfach wird vermutet, dass frisch gepresster Saft einen höheren Anteil an gesundheitsfördernden Inhaltstoffen haben müsse als Orangendirektsaft oder Saft aus Konzentrat. Ein direkter Vergleich zwischen handelsüblichem und frisch gepresstem Orangensaft ergibt mit Blick auf den Gehalt der Inhaltsstoffe jedoch: Der kommerzielle Saft enthält insgesamt 3,6-mal mehr Flavanone. Möglicherweise erhöhen Prozesse bei der Saftherstellung, wie die mechanische Zerstörung der Zellwände sowie die Erhitzung im Rahmen der Pasteurisation, die Verfügbarkeit der bioaktiven Substanzen.[6]

Fazit für Wissenschaft und Praxis

Es deutet sich an, dass Orangensaft nicht nur als Quelle für Vitamin C, sondern auch als Quelle für Flavonoide wie Hesperidin eine Unterstützung für das körperliche Wohlbefinden sein kann. Mit durchschnittlich rund 52 mg pro 100 ml enthält Orangensaft sogar einen größeren Anteil an Hesperidin als an Vitamin C. Gleichzeitig steht die Erforschung der sekundären Pflanzenstoffe und damit auch des zusätzlichen Wirkungspotenzials von Orangensaft erst am Anfang. Weitere Erkenntnisse folgen sicherlich bald. Für die Beratungspraxis zeigt sich aber schon jetzt: Orangensaft liefert nach wie vor einen wichtigen Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung.

  • [1] Rangel-Huerta et al. (2015): Normal or High Polyphenol Concentration in Orange Juice Affects Antioxidant Activity, Blood Pressure, and Body Weight in Obese or Overweight Adults, The Journal of Nutrition, Volume 145, 8: 1808–1816
  • [2] Parhiz, M. et al.(2015): Antioxidant and anti-inflammatory properties of the Citrus flavonoids hesperidin and hesperetin: An updated review of their molecular mechanisms and experimental models. Phytother. Res. 2015, 29: 323–331
  • [3] Morand C et al. (2011): Hesperidin contributes to the vascular protective effects of orange juice: a randomized crossover study in healthy volunteers. Am J Clin Nutr 93(1):73-80
  • [4] Aschoff JK et al. (2016): Urinary excretion of Citrus flavanones and their major catabolites after consumption of fresh oranges and pasteurized orange juice: A randomized cross-over study. Mol Nutr Food Res 60: 2602-2610
  • [5] Pereira-Caro G et al. (2014): Orange juice (poly)phenols are highly bioavailable in humans. Am J Clin Nutr 100: 1378-84
  • [6] Silveira JQ et al. (2014): Pharmacokinetics of flavanone glycosides after ingestion of single doses of fresh-squeezed orange juice versus commercially processed orange juice in healthy humans. J Agric Food Chem 62: 12576-84
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